Bonaparte et l’Egypte – Feu et Lumières

Bonaparte et l’Egypte – Feu et Lumières

Veranstalter
Institut du Monde Arabe, Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
14.10.2008 - 29.03.2009

Publikation(en)

Institut du Monde Arabe; Musée des Beaux-Arts Arras (Hrsg.): Bonaparte et l’Egypte. Feu et Lumières. . Paris 2008 : Édition Hazan, ISBN 9782754103497 420 S. € 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anna Karla

Bis Ende März 2009 widmet sich das Pariser Institut du Monde Arabe dem ambitionierten Vorhaben, einhundert Jahre französisch-ägyptischer Beziehungen im Fokus einer Zentralgestalt der französischen Geschichte zu betrachten. Unter dem Titel „Bonaparte et l’Egypte. Feu et Lumières 1769–1869“ beleuchtet die Ausstellung die gemeinsame Geschichte Frankreichs und Ägyptens als eine Geschichte des Krieges und der militärischen Eroberung auf der einen sowie der gegenseitigen Inspiration und des ausgeprägten Interesses füreinander auf der anderen Seite. Das paritätisch aus ägyptischen und französischen Wissenschaftlern besetzte Komitee garantiert dabei jenen „doppelten Blick“, der zu den Leitlinien des Projektes und des gesamten Instituts gehört.

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt explizit auf der wissenschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzung mit Ägypten im Zuge der Expedition Bonapartes. Im Unterschied zu früheren Ausstellungen zur Ägypten-Faszination in Europa1 wird eine konsequente Rückbindung der „Entzauberung“ Ägyptens an die politisch-militärischen Umstände betont und soll neben der französisch-europäischen auch die ägyptische Seite zu Wort kommen. Im Vorwort zum Ausstellungskatalog hebt Jean-Marcel Humbert diesen letzten Aspekt in seiner politischen Bedeutung hervor und erinnert an die unter kolonialistischen Vorzeichen geplanten Ausstellungen aus den Jahren 1929 und 1949 sowie an die scharfe Polemik rund um das „Ägyptenjahr“ 1998 (S. 11).

Man darf den Ausstellungsmachern folglich keinen unreflektiert franko-französischen Blick unterstellen, wenn das Verhältnis französischer und ägyptischer Ausstellungsexponate insgesamt unausgewogen bleibt. Vielmehr verweist das Übergewicht französischer Texte, Bilder und Aufzeichnungen auf die grundsätzliche Schwierigkeit, die gemeinsame Geschichte eines letztlich ungleichen Austauschs darzustellen. Die gewählte Zeitspanne und die Fokussierung auf die Gestalt Bonapartes geben zu verstehen, dass der Blick auf den europäischen Anderen für die ägyptische Gesellschaft erst im 19. Jahrhundert relevant geworden sei. Frankreich hingegen blickte zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine jahrhundertealte Tradition der Ägypten-Faszination und die kurzfristige intensive Vorbereitung einer militärischen Invasion zurück. Die Versuche der Ausstellung, dem Dilemma der eigenen Thematik beizukommen, wirken allerdings stellenweise sehr konstruiert. So sollen Möbel und Alltagsgegenstände aus dem Ägypten des späten 18. Jahrhunderts ein Bild dessen vermitteln, was die französischen Truppen bei ihrer Landung in Alexandria gesehen haben mögen. Zeichnungen aus dem Großprojekt der „Description de l’Egypte“ werden als Illustrationen des Ägyptens jener Zeit eingesetzt, wobei nicht ausreichend betont wird, dass es sich auch hier um eine Darstellung durch Außenstehende handelt.

Die Ausstellung ist entlang fünf thematischer Schwerpunkte chronologisch gegliedert: Ein erster Abschnitt zeigt Beispiele der europäischen Ägypten-Faszination seit dem 16. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen hier die Berichte von Reisenden des 18. Jahrhunderts wie etwa Frédéric-Louis Norden, Constantin François Volney und Claude Savary. Anschließend sollen Möbelstücke, Schmuckschatullen, Teppiche und Wasserpfeifen den Besucher in das Ägypten des 18. Jahrhunderts führen. Der Abschnitt über die militärische Expedition bietet mit Archivalien aus der Zeit des Direktoriums sehr interessante Einblicke in die Vorbereitungen des Feldzuges, beispielsweise mit einem Schreiben des Außenministers Talleyrands über die Notwendigkeit einer Eroberung Ägyptens durch die Französische Republik. Von den großen zeitgenössischen Schlachtenmalern ist prominent Louis-François Lejeune mit der „Bataille du Mont Tabor“ (1803), der „Bataille des Pyramides“ (1806) und der „Bataille d’Aboukir“ (1799) vertreten. Antoine-Jean Gros’ „Bonaparte visitant les péstiférés de Jaffa“ (1804) konnte scheinbar nicht für die Ausstellung gewonnen werden. Diese Lücke wird aber durch geschickten Medieneinsatz gelöst: In einem Kurzfilm wird dem Ausstellungsbesucher das zentrale Gemälde des napoleonischen Ägypten-Mythos in seinen Details vorgeführt und erläutert.

Das Herzstück der Ausstellung bildet die Ägyptenexpedition in ihrem Charakter als wissenschaftliche und künstlerische Entdeckungsreise. Hier finden sich Kuriositäten wie ein eigens für die Aufbewahrung der monumentalen Ausgabe der „Description de l’Egypte“ angefertigter Schrank aus der Académie Française. Hinzu kommen Dokumente über die großen Akteure und Institutionen dieses Feldzuges im Namen der Wissenschaften wie Dominique Vivant Denon und das 1798 in Kairo gegründete Institut de l’Egypte. Die Tatsache, dass der für die entstehende Ägyptologie zentrale Gegenstand – der Stein von Rosette – nur als Gipsabdruck aus dem Louvre gezeigt wird, während das Original im British Museum in London aufbewahrt wird, wirkt wie eine ungewollte Reminiszenz aus dem einstigen britisch-französischen Wettlauf auf dem Gebiet der Archäologie.

Die „Ägyptomanie“ und der Stil „retour de l’Egypte“ in Mode und Kunstgewerbe, die sich im Zuge der militärischen Expedition entwickelten, werden konsequent an die politischen Rahmenbedingungen rückgebunden: Diese „offizielle“ Kunst trug zu einer positiven Aneignung des napoleonischen Ägyptenabenteuers durch die Gesellschaft des Kaiserreichs bei. Unter dem Stichwort „Regards des artistes“ wird anhand von Gemälden (beispielsweise von Louis-Etienne Duval, Eugene Fromentin und Jean-Léon Gérôme) jene eigentümliche Mischung aus distanzierter Betrachtung und künstlerischer Aneignung herausgearbeitet, welche die orientalistische Malerei des 19. Jahrhunderts und im Besonderen die Ägyptenthematik charakterisiert.

Etwas abrupt leitet die Ausstellung zum „modernen Ägypten“ der Regierungszeit Muhammed Ali Paschas (1805–1848) über. Was den wirtschaftlichen und politischen Aufbruch des Landes betrifft, bleiben die Beschreibungstexte allerdings vage: Zwar sei der Ägyptenfeldzug einem „Donnerschlag in einer schlafenden Welt“ gleichgekommen („un coup de tonnere sur un monde endormie“), doch dürfe die Bedeutung der französischen Expedition für die Geschichte Ägyptens nicht überschätzt werden. Die sehr vielfältigen und interessanten Exponate hingegen verweisen vorrangig auf den wachsenden Einfluss Frankreichs auf die ägyptische Gesellschaft: Pläne der in den Jahren 1818/19 von dem französischen Architekten Pascale Coste geplanten Salpeterfabrik, Korrespondenzen über die Entsendung ägyptischer Studenten nach Paris aus den 1820er-Jahren, die Berichte des Intellektuellen Rifâ’a al-Tahtâwi über seine Zeit an der École Égyptienne in Paris.

Die letzten Exponate sind Fotografien und Pläne von zwei zentralen Ereignissen der 1860er-Jahre: Die Präsentation Ägyptens bei der Weltausstellung von 1867 in Paris und die Eröffnung des Suez-Kanals im Jahre 1869. Leider fällt dieser Teil mit einer etwas unübersichtlichen Zusammenstellung der Fotografien und zu knappen Erläuterungen deutlich gegenüber dem Rest der Ausstellung ab. Am Ende des Parcours stellt sich daher der Eindruck ein, dass die Zeitspanne der Ausstellung vom Geburtsjahr Napoleon Bonapartes und Muhammed Alis (1769) bis zur Eröffnung des Suez-Kanals (1869) mehr aus werbestrategischen als aus inhaltlichen Gründen gewählt wurde.

Die Inszenierung und Präsentation sind insgesamt gelungen. Einziger Wermutstropfen bleibt das generelle Platzproblem in den Ausstellungssälen des Instituts du Monde Arabe: Schon im Eingangsbereich drängt sich das Gefühl auf, in die düsteren Gänge einer Pyramide geraten zu sein. In den Ausstellungsräumen schaffen hingegen rote und sandfarbene Farbtöne eine warme Atmosphäre. Die Wegeführung ist klar und die Exponate sind abwechslungsreich in den unterschiedlichen Räumen angeordnet. Die kurzen Filmausschnitte erläutern detailliert einzelne Aspekte wie die militärische Expedition oder den Orientalismus als Kunststil. Für die Begleittexte allerdings hätte man sich mehr Ausführlichkeit gewünscht. Überflüssig ist die Zusammenfassung jedes längeren Textes durch einen rot hervorgehobenen Satz, der den Inhalt an manchen Stellen unzulässig verkürzt.

Dank der vielfältigen Exponate und des differenzierten Blicks auf die komplexe Thematik kann die Ausstellung „Bonaparte et l’Egypte“ insgesamt überzeugen. Letztendlich zeigt sich aber auch in ihr einmal mehr die Wirkmächtigkeit jener napoleonischen Umdeutung einer militärisch erfolglosen Invasion zu einem kulturpolitischen Großereignis. Zwar postuliert der Einleitungstext im Eingangsbereich, dass hier aktive Arbeit am Mythos stattfinden soll: Sowohl die Person Bonapartes als auch das Land Ägypten seien Teil „unseres kollektiven Unterbewusstseins“ („deux mythes qui restent gravées dans notre inconscient collectif“). Doch verlässt der Besucher ein wenig verzauberter diese Reise durch einhundert Jahre gemeinsamer (Erfolgs)geschichte, an deren Anfang ein geschickter General es vermocht hatte, das von ihm gelegte „feu“ in „Lumières“ zu verwandeln.

Anmerkung:
1 So beispielsweise die Ausstellung „Egyptomania. Egypt in Western Art 1730-1930“ im Musée du Louvre (Paris), in der National Gallery of Canada (Ottawa) und im Kunsthistorischen Museum Wien. (Vgl. Jean-Marcel Humbert, Michael Pantazzi und Christiane Ziegler (Hrsg.), Egyptomania. Egypt in Western Art 1730-1930, Paris 1994.) Direkt zu Bonaparte und Ägypten vgl. Michel Dewachter (Hrsg.), L’Egypte, Bonaparte et Champollion. A l’occasion du Bicentenaire Champollion et de l’exposition presentée à l’Hôtel de Balène, juin à octobre 1990, Toulouse 1990.

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